ES FREUT UNS SEHR, DAS HEURIGE JAHR MIT DEN WORTEN UNSERER RIKSCHA PRAKTIKANTIN THERESA ZU BESCHLIESSEN – AUF DEN PUNKT GEBRACHT LIEBE THERESA! DAFÜR EIN HERZLICHES DANKESCHÖN 🙂
Mit der Rikscha durch Innsbruck oder der etwas andere Radausflug
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, meinte Franz Kafka oder in unserem Fall in dem man sie mit der Rikscha zurücklegt.
Im Zuge meiner Ausbildung habe ich meine Praktikumsstunden beim Verein JunA Moment absolvieren und im Zuge der Frischluftbrise KlientInnen des außerstationären gerontopsychiatrischen Vereins Vaget an Freitagnachmittagen für circa drei Stunden auf eine Rikscha-Ausfahrt durch Innsbruck mitnehmen dürfen. Gemeinsam mit ein oder zwei Rikscha-MitradlerInnen haben wir uns auf den Weg von Pradl über den Rapoldipark und den Innradweg zu Tomaselli-Eis am Baggersee gemacht. Unsere Fahrgäste sind meist von Woche zu Woche dieselben geblieben, die Ausfahrten waren jedoch jedes Mal ein neues Abenteuer, manchmal waren sie sehr ruhig, manchmal lauter, hin und wieder extrem windig und einige Male regnerisch – aber immer waren sie ein besonderes Erlebnis für alle.
Eine Vielzahl von freiwilligen RadlerInnen macht das Projekt Frischluftbrise zu etwas Einzigartigem in Tirol. Drei Rikschas, die auf die Namen Axel, Matilda und Fanny hören, stehen von März bis Oktober jeden Jahres im Wohnheim Pradl für Ausfahrten bereit. SeniorInnen aus einigen Innsbrucker Wohnheimen und KlientInnen aus außerstationären gerontopsychiatrischen Tageseinrichtungen erfreuen sich über ein paar Stunden an der frischen Luft, netten Gesprächen und natürlich über das Allerwichtigste: eine Kugel Eis – gesponsert von der Gelateria Tomaselli.
Meine Fahrgäste sind meistens eher ruhiger gewesen – einerseits, weil es die geistige Tagesverfassung manchmal einfach nicht zugelassen hat, andererseits, weil wir uns über den Fahrtwind oftmals zurufen hätten müssen – ich habe sie aber von meiner Fahrerposition hinter dem roten Rikscha-Dach beobachten können wie sie sich hin und wieder kurz angelächelt, sich über das Wetter gefreut oder sich über Erlebnisse des jeweiligen Tages erzählt haben. Für mich mit am Bewegendsten waren die Menschen, denen wir auf unserer Fahrt begegnet sind – die uns zugewinkt bzw. uns allen ein freundliches Lächeln geschenkt haben. Meine Fahrgäste haben meist sofort zurückgewinkt und laut „Hallo“ gerufen. Es war sehr schön beobachten zu dürfen wie sie aufgeblüht sind und sich über die Resonanz der Menschen entlang unseres Weges gefreut haben.
Mir wurde in den Ausfahrten immer wieder aufs Neue bewusst wie wichtig ein „einfaches“ Lächeln sein und welche Freude es in unserem Gegenüber hervorrufen kann. Es ist unheimlich schön, Menschen für kurze Zeit aus ihrem gewohnten Umfeld herausholen zu können und ihnen ein paar Stunden Abwechslung zu schenken. Gemeinsame Zeit bereichert, gemeinsame Erlebnisse im Freien aber noch mehr. Auch wenn ich während der Ausfahrten nicht allzu viel mit den Damen und Herren auf der Rikschabank vor mir zum Reden gekommen bin, haben mir ein Händedruck beim Aussteigen am Baggersee, ein Lächeln oder auch nur die Vorfreude, die ihnen am Beginn der Ausfahrten ins Gesicht geschrieben stand, gezeigt, dass Altern vielleicht eine Herausforderung sein kann, aber doch auch zahlreiche schöne Momente mit sich bringen kann. Manchmal muss man sich nur die Zeit nehmen und bewusst darauf achten.
Ich bin dankbar, dass ich mit den Stunden, die ich mit meinen Fahrgästen verbringen durfte, ein kleines bisschen zu ihrer alltäglichen Abwechslung beitragen durfte. Mich selbst hat es immer wieder daran erinnert, wie wichtig es ist, sich in dieser schnelllebigen Zeit auch Zeit für Menschen zu nehmen, die gewisse Dinge ohne Hilfe von Anderen nicht mehr selbstständig bewerkstelligen können.
Auf den Rückwegen sind wir meist am Kletterzentrum an der Sill stehen geblieben, um die „Kraxler“ zu beobachten, bevor es zurück zum Vaget ging, wo Kaffee und Kuchen gewartet haben.
Ich möchte mich bei Tatjana und Günther für die Möglichkeit bedanken, für kurze Zeit Teil des Rikscha-Teams gewesen sein zu dürfen und hoffe, dass es noch viele Jahre so weiter geht, und sich weiterhin zahlreiche Freiwillige finden, die sich über die wöchentlichen Ausfahrten genauso freuen und kräftig in die Pedale treten werden. Wenn es mein Alltag zulässt, würde ich auch zukünftig gerne immer wieder ein paar Ausfahrten übernehmen…
Während ich diese Zeilen schreibe, fällt mir auf, dass ich mir selbst widerspreche, ich sollte nicht schauen, dass es mein Alltag zulässt, sondern ich sollte die Ausfahrten bewusst in meinen Alltag einbauen. Das Praktikum war für mich viel mehr als nur Stunden für einen Abschluss zu bekommen, es war ein Geben und Nehmen, ein Geben meiner Zeit und ein „annehmen“ unheimlicher Dankbarkeit seitens der KlientInnen.
Nicht nur ich habe eine kurze Geschichte zu erzählen, auch meine Rikscha-KopilotInnen haben mir ein bisschen erzählt. Über Geburtstagsausfahrten zum 100. Geburtstag, die anstatt der „gewöhnlichen“ Route auf Wunsch des Geburtstagskindes mit einem Halt im Gasthaus geendet haben, über Lottoscheine, die am Rückweg ins Seniorenheim aufgegeben wurden oder Umwege zu Wunschlocations. Manche Ausfahrten wurden zu Wettrennen zwischen den Rikschas – natürlich zu kontrollierten Rennen – die aber zur größten Freude der SeniorInnen ausgetragen wurden. Unter heftigem Anfeuern wurde einmal die eine und einmal die andere Rikscha überholt, ist über Grünflächen ausgewichen oder um Blumenbeete herumchauffiert worden. Genau diese kleinen „Umwege“ machen die Ausfahrten für die KlientInnen zu etwas Besonderem, bei dem sie sich wieder „jugendlich“ fühlen dürfen, wie eine ältere Dame amüsiert gemeint hat. Durch die Ausfahrten erweitert sich der Bewegungsradius der Damen und Herren über das Wohnheim/Tagesstruktur-Areal hinaus und lässt sie für ein paar Stunden wieder etwas aktiver am Innsbrucker Stadtleben teilhaben.
Unter die freiwilligen FahrerInnen haben sich auch immer wieder junge Männer mit Fluchterfahrungen gemischt, die mit größter Freude tatkräftig unterstützt haben. Auch wenn es sprachliche Barrieren gegeben hat, hat oft ein Lächeln, ein Deuten oder ein kurzes Zwinkern gereicht, um sich zu verstehen.
Ich glaube ich kann für uns alle sprechen, dass es sehr schön ist, zur Lebensfreude Anderer beitragen zu dürfen. Mögen noch viele Wege entstehen, die mit den Rikschas zurückgelegt werden können.